DIE WIRKUNG DES UNSICHTBAREN

 

Zur Keramik von Roland Summer

von Petra Oxana Lutnyk

 

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Die Freude, den Gef��en von Roland Summer zu begegnen, l�sst sich mit der Wiederentdeckung eines alten, verwandelten Freundes vergleichen. Unsere �berraschung und Bewunderung gilt zun�chst der Selbstverst�ndlichkeit, Kraft und Sch�nheit, die sie ausstrahlen begleitet von einer Zur�ckhaltung, die sich ihres Wertes durchaus bewusst ist.Der Kundige liest schnell die Ankl�nge an die Antike, an alte amerikanische, afrikanische und japanische Kulturen in den Techniken des Aufbauens, des Rakubrandes, den archaischen Formen und den polierten, mit terra sigillata �berzogenen Oberfl�chen. Derartige Synthesen spiegeln die positiven Seiten der globalisierten Welt und lassen es nur selbstverst�ndlich erscheinen, dass man Roland Summers Arbeiten in beinahe allen europ�ischen L�ndern, sowie in Asien, Amerika und Australien in wichtigen Ausstellungen und Wettbewerben und in durchaus guter Gesellschaft wiederfindet. Diese N�he zu den gro�en archaischen Kulturen ist f�r ihn kein �sthetisches Ph�nomen, sondern Ausdruck einer Haltung, bzw. Affinit�t zu einem anderen Wertesystem und zu einer signifikant anderen Kultur der Zeit. Ablesbar ist dies in seinen immer wieder-kehrenden Entscheidungen f�r �zeitraubende� und un�konomische Prozesse wie dem h�ndischen Aufbauen, Polieren und Rakubrennen.

 Glaubt man den Physikern, so ist Zeitlichkeit ein von uns geschaffenes und der jeweiligen Gesellschaft angepasstes Ph�nomen. In den alten Kulturen war Zeit durch den Rhythmus der Natur bestimmt. Die Industriegesellschaft und mehr noch die neoliberale Informationsgesellschaft haben dazu gef�hrt, dass man Zeit �ber ihren Marktwert definiert. �Zeit ist Geld� war der Wegweiser zu einer strikten Rationalisierung und Beschleunigung auf allen Ebenen des modernen Lebens. Kein Wunder, wenn sich jegliche Form der k�nstlerischen Arbeit mit keramischen Material in Bedr�ngnis befindet, denn Keramik hat per se eine langsame Energie und kann von ihrer Nat�rlichkeit nicht �befreit� werden. N�he, Einf�hlungsverm�gen f�r naturhafte Prozesse und eine vollkommen unzeitgem��e Demut sind Grundvoraussetzung f�r einen K�nstler, der sich zu diesem Material hingezogen f�hlt. Nur besonders widerst�ndige Menschen k�nnen nach einer modernen k�nstlerische Ausbildung diese radikale Position einhalten. Roland Summer hat Architektur studiert und wagt es, sich nicht nur mit dem Material Keramik, sondern auch mit der Form des Gef��es zu besch�ftigen.Was viele Menschen in der Kunst neben dem Anspruch auf Frische und Radikalit�t suchen sind Kommunikationsf�higkeit und Tiefe. Ich bin �berzeugt davon, dass man auch an der Reaktion des zeitgen�ssischen Publikums die Wirkung eines Werkes und die Relevanz der Aussage ablesen kann. Damit stellt sich die ber�hmte Frage: Wodurch entsteht Relevanz in einem Werk? Keramiktheorie, die es leider nicht im eigentlichen Sinn des Wortes gibt, schenkt ihre Aufmerksamkeit und Wertzuordnung meist dem Werk allein, nicht dem Prozess oder dem Kontext, wie es die Kunsttheorie oft zu sehr versucht. Genau dort aber liegt die Ursache f�r etwas, das man als Qualit�t beschreiben k�nnte.

Zur�ck zur urspr�nglichen Begegnung mit dem Objekt. Vielleicht gelingt es uns durch n�here Betrachtung herauszufinden, wodurch seine Wirkung entsteht. Das Skulpturale, Monumentale und Architektonische, das Roland Summer in den an sich vertrauten Gegenstand legt, l�sst seine Herkunft von der Architektur nicht leugnen. Von klassischen Vorbildern habe ich bereits gesprochen, doch finden sich in seinen Objekten kaum merklich aus dem Lot balancierte Proportionen. Bei seinen Vasen schweben Bauch und Schulter auf einem im Verh�ltnis zu Gewicht und Volumen filigranen Fu�. Der energetische Druck der gespannten Form �ber dem zarten Fu� l�sst seine Arbeit un�bersehbar pr�sent wirken. Die kalkulierte Unregelm��igkeit der h�ndisch aufgebauten Form l�sst gerade wegen der Strenge der Linien etwas Lebendiges mitschwingen.       Gr��e und Gewicht seiner Objekte sind respekteinfl��end und daf�r verantwortlich, dass sie trotz der Anziehung und Sinnlichkeit der polierten Oberfl�che eine k�hle Distanziertheit zum Betrachter wahren. Sie wollen nicht in die Hand genommen werden, aber die schimmernd - transparente Oberfl�che l�dt zum Tasten und F�hlen ein. Ohne sich bewusst zu werden erlebt man dadurch die M�glichkeit mit Hilfe des �u�eren mehr �ber das Innere zu erfahren. Man erahnt im Greifbaren das Verborgene (1). Summers Arbeit kann als Vorschlag verstanden werden, uns unseres materiellen,  raum- und zeitabh�ngigen Daseins und unserer Koexistenz mit der Welt der Dinge mit ihrem archetypischen Gehalt bewusst zu werden.

 Die leichte Schwingung der klaren, strengen Form korrespondiert stark mit der Lebendigkeit der ger�ucherten terra sigillata. Man f�hlt sich angezogen, von etwas Warmem, Verborgenem, Geschichtlichem. Geschichtliches, das einerseits erfahrene H�nde (im embryonalen Stadium ist ihre Entwicklung gleich der des Gehirnes), im Zusammenspiel mit einem bed�chtigen Prozess und einem K�nstler im konzentrierten Tauziehen mit dem naturhaften Prozess des Brennens, geschaffen haben.

Diese Gef��e sind keine Gesch�pfe des Neonzeitalters, zu viel Helligkeit irritiert sie. Sie f�hlen sich wohl im Halbschatten. Dort ertastet der Blick die Oberfl�che, sie gibt nicht wirklich Halt, hat etwas Weiches, Zartes und Schattiges. Ohne Schatten kein r�umliches Sehen, keine Tiefe, keine Geschichte. Bei manchen Gef��en erinnert sie an die zeitlose Patina unbemerkt verflossener Zeit. Sie l�sst genau die Ungewissheit zur�ck, die zur Bildung von Vorstellung unumg�nglich ist. Denn Wahrnehmung bedeutet Sch�pfung - und Kunst muss f�r den Betrachter immer eine zu vollendende Aufgabe enthalten.

 Wodurch wird diese Wirkung ausgel�st und wie kann man sie deuten? Die polierte terra sigillata und die weiche Zeichnung der nach dem Rakubrand abgesprengten Glasur erzeugen mit ihren Nadelstich- und Craquel�effekten den Eindruck von Transparenz und Tiefe. Was wir wirklich sehen, ist nur der Abdruck von etwas Geschehenem, dem Abplatzen der verlorenen Glasur. Nicht als Dekor, sondern als Werkzeug wurde sie benutzt. Es ist nicht ein Riss, den man sieht, sondern sein zum Bild gewordener Schatten, eine Erinnerung an das, was wir vor uns haben: Unverg�nglichkeit im Kleid der Verletzlichkeit. Es fand eine Ber�hrung statt, die weitererz�hlt wird. Diese schattenverwandte Zeichnung erinnert ein wenig an Platons H�hlengleichnis, das immer noch und immer wieder den Abdruck eines Wissens von der Nicht-Erkennbarkeit der Dinge hinterl�sst. An sich ist nichts zu sehen, wir bekommen nur den Schatten zu Gesicht... wir als konstruierende Wahrnehmungsapparate.(2)

 

 

  Mag. Petra Oxana Lutnyk, geb. 1962, Kunstvermittlerin und Keramikerin

 

(1)        K�kelhaus, Hugo: Dennoch Heute, Heidenheim 1956

(2)       Sturm, Eva: Was nicht zu sehen ist, Katalog: Wolfgang Reichmann Bilder aus einer Evidenz des Realen,    Wien 2001  

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