ROLAND SUMMER - KERAMIK
Roland
Summer (*1955) gehört zu den österreichischen
Keramikern, deren Arbeiten auch im internationalen Vergleich bestehen können
und entsprechend großen Anklang finden. Das zeigt sich nicht nur daran, dass er
weltweit in den wichtigsten Museen vertreten ist und für seine Arbeiten
zahlreiche Preise bekommen hat, sondern auch an den klangvollen Namen seiner
Sammler – von Sir Norman Foster über Robert Wilson bis zum Duke of
Devonshire.
Die
Neue Sammlung zeigt nun im Internationalen Keramik-Museum in Weiden erstmals
eine Ausstellung des renommierten österreichischen Keramikers, die man auch als
Retrospektive bezeichnen könnte; denn in Weiden sind nicht nur die neuesten
Arbeiten Summers zu sehen, sondern auch einige Stücke aus früheren
Schaffensjahren. Kaum ein anderer Ort ist besser für diese Ausstellung geeignet
als das Internationale Keramik-Museum mit seinen Sammlungen aus den
unterschiedlichsten Epochen und Kontinenten.
Schließlich
zeigen gerade Summers Formen und Techniken seine Auseinandersetzung mit
vergangenen Kulturen in anderen Erdteilen. Afrika, speziell der Sudan spielt
eine Rolle, ebenso wie Asien und natürlich Europa. Summer arbeitet mit Raku,
einer alte japanischen Töpfertechnik, die ursprünglich untrennbar mit dem Zen-Buddhismus
und der Teezeremonie
verbunden war. Ebenso wichtig für Summers Werk ist die „Terra Sigillata“,
die ihren Ursprung im Italien der Römerzeit hat und die er in einer ganz
spezifischen Weise anwendet. Seine umfangreichen Kenntnisse alter Kulturen und
Techniken stellen für Roland Summer jedoch lediglich einen Ausgangspunkt für
seine eigenen Schöpfungen dar, die ganz im Hier und Jetzt stehen, Traditionen
überwinden und auf die Zukunft ausgerichtet sind.
Zur
Keramik kam Roland Summer über Umwege. Erst nach seinem Architekturstudium in
Graz fiel die Entscheidung, als Keramiker zu arbeiten. Am Ende einer langen
Phase des Experimentierens stellte sich schließlich heraus, dass er den
richtigen Weg eingeschlagen hatte, der ihn seit den späten 1980er Jahren immer
weiter nach oben führte. Zeit spielte und spielt dabei eine große Rolle. Das
sieht man – ganz im positiven Sinne – seinen Werken auch an. Er arbeitet
nicht mit der „schnellen“ Töpferscheibe, sondern baut seine Keramiken
Zentimeter um Zentimeter auf. Sie wachsen langsam aus sich heraus. Es handelt
sich um organische, weich gerundete Formen, die auch Summers bevorzugter
Verwendung der „Terra Sigillata“ und deren Eigenschaften am besten
entsprechen.
Roland
Summer hat daraus eine ganz eigene Technik entwickelt. Nach dem mehrfachen
Auftrag der „Terra Sigillata“ und dem darauf folgenden Schrühbrand werden
die Gefäße mit einer Trennschicht (Engobe, manchmal in Kombination mit Glasur)
überzogen, in die beispielsweise Linien eingeritzt werden, die aber auch ohne
Bearbeitung beim Rakubrand Craquelé bildet. Diese Schicht platzt während der
Abkühlungsphase durch das Eintauchen in Wasser ab und hinterlässt auf der
Oberfläche ihr Negativbild in Form von Rauchspuren.
Aus
der Entfernung wirken die Arbeiten wie herkömmlich glasierte Keramiken. Bei näherem
Hinsehen fallen die Unschärfen der Zeichnung ins Auge. Die Linien und Craqueléspuren
beginnen zu verschwimmen. Sie sind nicht wirklich, sondern nur deren Abbild.
Gleichzeitig bilden sie eine untrennbare Einheit mit dem Gefäß, treten nicht
als Auftrag sondern als Material selbst in Erscheinung. Das unterscheidet
Summers Arbeiten von glasierten Keramiken. Für ihn ist die Glasur ein Zusatz,
ein „oberflächlicher“ Auftrag, der nicht aus dem Gefäß selbst heraus
kommt.
Wichtig
ist für Roland Summer aber auch, dass man in seine Keramiken hineinsehen kann.
Sie haben eine Öffnung, so dass das Innen und Außen sichtbar und begreifbar
wird. Damit wird deutlich, dass es sich um Gefäße handelt und nicht um
Objekte.
Gleiches
gilt auch für Summers so genannte „Paare“, die seit Mitte der neunziger
Jahre sein Werk wie ein roter Faden durchziehen. Hier geht es nicht nur um das
Nebeneinander zweier Gefäßkörper, hier kommt noch etwas anderes hinzu: die Körper
korrespondieren nicht nur mit dem sie umgebenden Raum, sondern vor allem auch
miteinander, bauen eine Beziehung auf. Der Raum zwischen ihnen tritt nun als
negativer Raum („Leerraum“) in Erscheinung und erhält dadurch ein
besonderes Gewicht. Aus den Gefäßkörpern wird Architektur im Raum. Gerade bei
den Paaren zeigt sich deutlich, wie sehr Summers Raumauffassung durch seine (frühere)
Beschäftigung mit Architektur geprägt ist.
Die
Gefäßformen von Roland Summer zeichnen sich darüber hinaus durch eine gewisse
Strenge und eine hohe Präzision aus. Dennoch wirken sie nicht leblos, kalt und
langweilig. Kaum wahrnehmbare Unregelmäßigkeiten, kleine Verschiebungen,
leicht schräge, statt gerade Linien bewirken, dass die Formen immer Leben und
Spannung ausdrücken – unterstützt von den Unregelmäßigkeiten und manchmal
auch Zufälligkeiten der Rauchspuren.
Manche
Formen lassen auch klare Entwicklungslinien erkennen, etwa wenn die Gefäßpaare
zusammenwachsen und zu einer Form verschmelzen. Einige der an Fruchtformen
erinnernden Gefäße haben ihren Ursprung in dieser Entwicklung. Andere wiederum
verfolgen eine weitere Linie, wie etwa die Porzellanobjekte, die 1999 aus einem
Ausstellungsprojekt der Porzellanmanufaktur Meißen hervorgingen.
Gemeinsam
ist all seinen Arbeiten ein sehr meditativer Charakter, der sowohl etwas mit den
äußeren Formen zu tun hat, als auch mit dem Prozesshaften, das sich aus
Summers Arbeitsweise ergibt. Hinzu kommen sein offener Blick und die damit
verbundene Experimentierfreudigkeit. Jeder Schritt ist dabei wohl überlegt und
durchdacht. Diese geistige Durchdringung ist zugleich auch eine Haltung, die an
all seinen Keramiken deutlich zu erkennen ist und die sein Werk so unverkennbar
eigenständig macht.
Josef Straßer, NEUE SAMMLUNG MÜNCHEN
Katalogtext
zur Ausstellung im Internationalen Keramikmuseum Weiden / D
Ausstellung
20. Juni bis 19. September 2010
Internationales Keramik-Museum
Zweigmuseum der Neuen Sammlung -
The International Design Museum Munich
Luitpoldstraße 25, 92637 Weiden
Tel.+49(0)961-3
20 30, Fax +49(0)961-3 81 06 27