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Roland  Summer und seine Keramiken

von Charlotte Blauensteiner

 

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  Es war ein erstes Gespräch und es fand in Wien statt. Roland Summer hatte neben seinen Arbeiten  auch  Bilder mitgebracht : von seinem Haus, dem Garten, den blühenden Bäumen vor der Tür und dem Biotop und dahinter  dem Schnee auf den Bergen. Nicht etwa, weil das so heimatlich – volkstümlich wäre, sondern einfach, weil er sich vorstellen wollte und  seine Umwelt  dazugehört. Dort arbeitet er in seinem Atelier – gleich neben dem seiner Lebenspartnerin, die aber  ganz andere Keramik macht  - dort  hat er Wurzeln, aber die halten ihn nicht fest, er hat sie gewissermaßen bewusst dort eingesenkt, wo er eben schon immer zu Hause war..

  Das bestätigt den ersten Eindruck, dass dieser Mann weiß, was er will und seine Ziele  beharrlich, aber  mit offenem Blick verfolgt. So war das wohl auch, als er nach einem  mehrjährigem Architekturstudium beschloß, Keramik zu machen. Er hatte,  nachdem er, wie er meint, zu viele Dinge im Kopf entwickelt hatte, einfach das Bedürfnis mit den Händen zu arbeiten. Und er hat sich  die technischen Voraussetzungen, mit allen  unvermeidlichen Rückschlägen, ganz alleine erworben, damit aber auch  eine große Sicherheit gewonnen. Er ist durch die halbe Welt gereist, bis Japan und Indien, um zu sehen und zu lernen wie man anderswo Keramik macht.; und vor allem auch welche kulturellen und gesellschaftlichen  Zusammenhänge bestehen und wie man in andern Kulturen, z.B. in Japan, räumliche  Zustände und  Wechselwirkungen erlebt. Und dann kamen Messen, Museen und Wettbewerbe – viel Arbeit, aber  notwendig,  um Präsenz zu zeigen; und das handhabt er professionell .

  Zum Material : R. Summer  arbeitet mit verschiednen Arten von Ton, der stammt aus den verschiedensten Orten – aus der Kärntner Umgebung , aber auch z.B. aus Indien. Alle Arbeiten sind frei gebaut, die Töpferscheibe tritt nicht in Aktion. Fast allen gemeinsam ist  ein  Überzug aus terra sigillata, der im lederharten Zustand aufgetragen wird; nach dem ersten Sprühbrand folgt ein neuerlicher Auftrag vor dem Brand im Elektroofen. Den weiteren Vorgang bezeichnet er als „ Verlorene Glasur „ : Die Stücke werden  mit einer Schlickerschicht überzogen und manchmal glasiert, manchmal wird in diese Schicht geritzt oder gezeichnet, es ist  eine Trennschicht, in die beim Brennen der Rauch einzieht und  die Zeichnung  färbt.  Nach dem Rakubrand im Gasofen  und der  Reduktion mit brennbarem Material  wird der Überzug  mit Wasser behandelt, sodass er wie eine Eierschale abplatzt und das polierte Stück  übrig bleibt, das dann nur noch mit Bienenwachs behandelt wird. All das hat  der Künstler nicht selbst erfunden, es ist nur die Art der Anwendung, die  seine Arbeiten von anderen unterscheidet.

  Diese Arbeiten entstehen langsam, sie wachsen aus sich heraus. Es sind fast immer Gefäße – Roland Summer sagt, er fände es wichtig, dass man in  ein hohles Artefakt hineinsehen kann, um es ganz zu erfassen. Er geht von ganz einfachen Grundformen aus,  oft „aufblühende „ Gefäße auf relativ kleinen Standflächen, die  den Glanz  und das Leuchten im  reflektierendem Licht  im oberen Drittel  konzentrieren. .

  Dann gibt es eine Gruppe von Arbeiten, die an biomorphe Teilungsprozesse  erinnern, es sind  Zweier- oder Dreiergruppen, die miteinander verwachsen sind. Durch die Vervielfachung der  Wandflächen gewinnen sie an Plastizität ,  und Farbe und Glanzlichter kommen voll zur Wirkung..

  Bei einer anderen Gruppe verlässt  der Künstler die  symmetrische Form – es entstehen zuerst einmal scharf abgesetzte  Ausbuchtungen  auf einer Seite – es ist faszinierend wie sich auf  diese Art  die  Farbe und vor allem die  Musterung an bestimmten Stellen  zusammenzieht. Schließlich gibt es auch „ Paare „ oder Dreiergruppen, bei denen die einzelnen Teile nun völlig voneinander  getrennt, doch zusammen ein Ganzes bilden. Manchmal wird auch ein dunkler gefärbtes Stück an ein anderes angeschlossen , das wie ein Schatten die  hellere Grundform begleitet. Dabei werden diese Grundformen oft zunehmend unregelmäßig und nur durch ein  diffiziles  Gleichgewicht  aneinander gehalten oder aber sie nähern sich Skulpturen an. Diese Arbeiten fordern noch mehr,  oder  vielmehr ganz anders , zum Anfassen heraus  - die ungemein sinnliche, oft erotische Ausstrahlung ist ihnen gemeinsam und teilt sich über die haptische  Ebene  auch unmittelbar  mit.

  Eine nicht ganz abgeschlossene oder  nicht weiterführbare Reihe  umfasst  flache Schalen und Doppelwandgefäße , letztere besonders schwierig herzustellen – sie  beeindrucken vor allem durch  die wunderbaren Farben. Wie bei jedem Brennvorgang  spielt hier  der Zufall eine gewisse Rolle – es ist die Kunst des Keramikers , aus dem  blinden einen gelenkten Zufall zu machen.

  Roland Summer hat alle Arbeiten in Werkgruppen  eingeteilt und präsentiert sie auch so der Öffentlichkeit – er dokumentiert dadurch  die systematische  Erkundung von Material und Form sowie  auch die eigene Entwicklung als Künstler.

  Ist Roland  Summer also einkalter Träumer - perfekter Manager  seiner Arbeit und  sein bester Kommentator ?  Sicher ist er das – auch. Aber das ist nicht alles, denn diese Gefäße  verbreiten eine eigene Aura, die nicht  nur vom technisch  zu beschreibenden Glanz des Lichtes auf der Oberfläche  ausgeht oder von der Glätte  bei der Berührung  - aber das spielt wohl zusammen  und hinterlässt das Gefühl, dass hier einfach alles richtig ist, so  wie es sein soll  und wie es anders gar nicht sein kann.

  Und dennoch sagt der Künstler, dass Perfektion nicht sein letztes Ziel ist. Er meint , das seine Einstellung zur Zeit einen ganz entscheidenden  Einfluss auf sein Schaffen hat. Zeit haben ist  der Luxus in unseren Tagen, Zeit nehmen der Weg ; und das bedeutet  kürzere Wege in längeren Zeiträumen : also Langsamkeit , die sich als Konzentration, als Versenkung in das Tun niederschlägt, die einen weiteren Blick  zulässt und eine intensivere Vernetzung mit der Umwelt. Diese geistige Basis  ist aus all seinen Arbeiten ablesbar,  sie spricht  an und teilt sich mit durch Sehen und Fühlen, und sie  ergänzt ein ästhetisches Erlebnis zur Vollkommenheit.

 

 

erschienen in Kunsthandwerk & Design, November 2006

 

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